Edgar Calel
Saqb’äch (Rain with Hail), 2024
Lehmskulptur und Opfergaben aus Eis, die alle 20 Tage erbracht werden.Edgar Calels Werk Saqb’äch (Rain with Hail) ist eine Opfergabe an die Traisen in Form von 13 dem Symbol nahual Imox nachempfundenen Eisskulpturen, die aus dem Wasser des Flusses hergestellt sind. Das für den Kreislauf des Wassers stehende Bildzeichen wird dargestellt durch Hagelkörner, die am Boden eines Gefäßes wachsende Pflanzen nähren. Mit den dem Fluss als Opfer dargebotenen Skulpturen, die dessen Gesundheit und ausreichend Niederschlag garantieren sollen, kehrt das Wasser, aus dem sie gemacht sind, wieder in sein natürliches Zuhause zurück.
Im Juni 2023 trafen wir Edgar Calel in Berlin zu einem Gespräch über Saqb’äch (Rain with Hail) und darüber, wie anhand dieser rituellen Handlung die Zeit gemessen wird. Gemeinsam mit der Künstlerin Maya Saravia erklärte Calel die von ihren Maya-Vorfahren angewandten Methoden der Zeitmessung, die auf der Beobachtung der Himmelskörper, des Lebens und der Wasserzyklen beruhten. All dies floss in den Cholq’ij ein, einen 260 Tage umfassenden Kalender, der sich aus 20 Tagen in Kombination mit den Zahlen von 1 bis 13 zusammensetzt, die jeweils vor die 20 Bildzeichen für die Tage gesetzt werden. Nach Vollendung des 13-teiligen Zyklus beginnt ein neuer, wieder mit den Zahlen 1 bis 13, was insgesamt einen Kalender mit 13 Monaten zu je 20 Tagen ergibt.
20 und 13 waren in der Kosmogonie der Mayas heilige Zahlen, wobei 13 für die Anzahl der Hauptgelenke des menschlichen Körpers (Nacken, zwei Schultern, zwei Ellbogen, zwei Handgelenke, zwei Hüften, zwei Knie und zwei Knöchel) und 20 für die Finger (10 an den Händen, 10 an den Füßen) steht. Jedes Bildzeichen verkörpert ein nahual, eine spirituelle Einheit, die ein Element des Lebenszyklus symbolisiert – Schöpfung und Zerstörung. Zu den nahuales des Cholq’ij zählen: B’atz’, E, Aj, I’x, Tz’ikin, Ajmaq, No’j, Tijax, Kawoq, Ajpu, Imox, Iq’, Aq’ab’al, K’at, Kan, Kame, Kej, Q’anil sowie Toj und T’zi’. Dieser Kalender gibt auch vor, wann die Zeremonien abgehalten werden, die ein harmonisches Gleichgewicht aller lebensfördernden Elemente bewahren.
Die Zahl 13 ist daher wesentlich für Konzeptualisierung und Performativität von Saqb’äch. Das Ritual wird in der Nähe des Flusses am Tag des Imox abgehalten. Eingepackt in traditionelle Stoffe, die sie auf dem Weg zur Zeremonie schützen, werden die 13 Eisskulpturen zum Flussufer gebracht.
Da die Zeremonie dem Kreislauf des Wassers gewidmet ist, wird auch eine aus Adobe gefertigte Skulptur, die die Form eines Gefäßes hat, am Ufer aufgestellt. Bei Adobe handelt es sich um ein Baumaterial auf der Basis von Lehm, unter den manchmal auch sonnengetrocknetes Stroh gemischt wird. Aufgrund seiner thermischen Eigenschaften findet diese Bauweise in Lateinamerika (und anderen Regionen) breite Anwendung. Die Skulptur verbleibt während der gesamten Ausstellungsdauer von fünf Monaten neben der Traisen. Das Gefäß aus Adobe, in das nahual Imox eingraviert ist, wird sich, dem zyklischen Prinzip des Kunstwerks entsprechend, mit dem von ihm aufgefangenen Wasser mischen, nach und nach auseinanderbrechen und wieder in der Erde aufgehen.
Besonderen Dank an: Elsa Calel, Julio Calel, Pedro Calel, Enrique Morales Larraondo, and Jaroslav Marek.
Edgar Calel (1987, Chi Xot, San Juan Comalapa, Guatemala) studierte an der Escuela Nacional de Arte Rafael Rodríguez Padilla. Er arbeitet mit einer Vielzahl von Medien und erforscht die Komplexität der indigenen Erfahrung, wie sie sich aus der Kosmovision der Maya Kaqchikel, der Spiritualität, den Ritualen, den Gemeinschaftspraktiken und dem Glauben ergibt, und stellt sie dem systematischen Rassismus und der Ausgrenzung gegenüber, denen die indigene Bevölkerung Guatemalas täglich ausgesetzt ist. Vor kurzem hatte er seine erste Einzelausstellung Pa Ru Tun Che' bei Proyectos Ultravioleta, Guatemala City (2021); und hat an zahlreichen Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter „The Crack Begins Within“, 11. Berlin Biennale, Berlin (2020); „Los Jardineros” (The Gardeners), Proyectos Ultravioleta, Guatemala City (2020); „Continuous Fire”, National Gallery of Canada, Ottawa, Ontario (2019). Seine Werke sind Teil der permanenten Sammlungen von Tate, Großbritannien; Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid, Spanien; MADC Museum of Contemporary Art and Design, San José, Costa Rica; und Kadist, San Francisco. Darüber hinaus hat er an künstlerischen Residenzen teilgenommen, unter anderem Tropical Papers (2021), Residencia Rua do Sol, Portugal (2019), und an der Lastro-Forschungsplattform, Brasilien (2015).