Interview

Geschichten über Heimat(en): Ein Interview mit Teresa Distelberger

„Das mit der Heimat ist eine wahnsinnig prekäre G’schicht.“ Über die letzten Monate hinweg hat das künstlerische Team von „about home“ Spielsessions in Vereinslokalen und privaten Wohnungen veranstaltet.
Von Lewon Heublein

Wenn du „about home“ in zwei Sätzen beschreiben würdest, wären diese …?

 

Teresa Distelberger: „about home“ ist dialogische Kunst, die eine soziale Plastik formt: Mit unserem Dialogspiel laden wir dazu ein, eigenen und anderen Geschichten über unsere Heimat(en) zu lauschen. Dabei bringen sechs Künstler:innen Perspektivenvielfalt auf die Bühne – gemeinsam mit Menschen, die gerade hier zu Hause sind.

 

 

Seit 2023 hast du bereits die ersten Spielrunden in St. Pölten im Rahmen der Tangente veranstaltet. Was ist dir besonders in Gedächtnis geblieben?

 

Teresa Distelberger: Vor allem das Zitat einer Mitspielerin bei unserem monatlichen Stammtisch, die als Fazit nach einer Spielrunde sagte: „Das mit der Heimat ist eine wahnsinnig prekäre G’schicht.“
Aber ich denke auch noch öfter an eine offene Spielrunde im Diversity Café, wo sich Geschichten aus verschiedenen Ländern und Zeiten plötzlich verbunden haben: Mein Künstlerkollege He Shao Hui erzählte von seiner Reise zum Familienhaus in Kambodscha, in dem seit der Flucht seiner Eltern andere Menschen wohnen – eine Mitspielerin knüpfte an mit ihrem Opa, der sich am Ende des 2. Weltkrieges von seiner Bäckerei verabschieden und als Donauschwabe Novi Sad verlassen musste. Eine alte St. Pöltnerin erwähnte in der Erzählung über ihr Häuschen in einem Nebensatz „Ich hab ja noch den Krieg erlebt.“ daraufhin nickte eine Iranerin ihr gegenüber und sagte leise „Ich auch.“ Ein Mitspieler erzählte, wie schwer es ihm gerade fällt, den Mostviertler Bauernhof seiner Eltern nach deren Tod zu verkaufen. Daraufhin erzählte eine persische Mitspielerin, dass erst durch das Loslassen jemand anders „das Licht einschalten“ kann – und so ein Haus am Leuchten erhält.

 

 

Gibt es etwas, das dich während deiner Zeit in St. Pölten beim Spielen besonders überrascht hat?

 

Teresa Distelberger: Wir haben mit über 20 sehr verschiedenen Gruppen in St. Pölten gespielt. Ich war überrascht, wie ähnlich das Feed - back an vielen Orten war. Die Leute waren oft selbst überrascht über die bereichernden Gespräche, die im Spiel entstanden sind, und haben es als verbindend erlebt.

 

 

Deine Beschäftigung mit dem Begriff „Heimat“ hat aber schon viel früher begonnen.

 

Teresa Distelberger: Ich veranstalte seit 2018 jährlich am Nationalfeiertag gemeinsam mit Karoline Wibmer und Mario Sinnhofer den „Salon der Heimatgefühle“. Der kontroversielle Begriff Heimat wird ja einerseits viel politisch eingesetzt, oft in einem ausgrenzenden Sinne. Gleichzeitig beschreibt das Wort die ganz persönliche Beziehung von Menschen und Orten. Mich interessiert, wodurch man sich eigentlich an einem bestimmten Platz „daheim“ fühlt – oder auch nicht. Sei es in einem Haus, einer Ortschaft, einer Bioregion, einem Land, bis hin zum Planeten. Und wenn man umgezogen ist oder eine Heimat verlassen musste: Wie geht das, sich wo (wieder) zu beheimaten? Können wir auch mehrere Heimaten gleichzeitig haben?

    Was erwartet das Publikum im September bei den Wirtshaus-Salons und der Abschlussgala?

     

    Teresa Distelberger: Gemeinsam mit einem diversen künstlerischen Team habe ich seit Dezember bei privaten Spieltischen mit St. Pöltner Organisationen und Freundeskreisen Kontakte geknüpft. Ausgewählte Geschichten werden vom Schriftsteller Hamed Abboud, der Theaterregisseurin Emel Heinreich, dem Musiker Philip Unterreiner, dem Fotografen He Shao Hui und den Performerinnen Regina Picker und Agnes Distelberger in partizipativen künstlerischen Prozessen geformt. Bei den Wirtshaus-Salons am 12. und 20.9. werden bereits einzelne Performances, kulinarische Schmankerl und Spielbretter serviert. Bei der Abschlussgala am 28.9. laufen dann alle Fäden zusammen – die verschiedenen Geschichten, Perspektiven und künstlerischen Formen werden verwoben zu einem größeren Bild. Natürlich gibt’s auch da noch die Gelegenheit zum Mitspielen.

     

    (Interview: Lewon Heublein)

    © Julia Wesley
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